„Nutzerzentrierte Planung“ in der Architektur – was soll das eigentlich bedeuten? (what does user-centred planning in architecture mean?)

(English Version below)

„Nutzerzentrierte Planung, was soll das eigentlich bedeuten?“

Das fragte mich neulich eine Arbeitskollegin, selber Architektin. In meiner Forschung verwende ich das Wort „nutzerfreundlich“ zwar ständig. Aber ich definiere es selten. Denn irgendwie ist es für mich ein selbstverständlicher Begriff geworden:


Für mich bedeutet Nutzerzentrierte Planung, so zu entwerfen und zu planen, dass die Menschen, die das Produkt, die Webseite, oder das Gebäude (*vgl. für Gebäude auch das Konzept das ich in meiner Dissertation entwickelt habe) „benutzen“ die Interaktion als effizient, effektiv und zufriedenstellend erleben.
Dieses Konzept ist ähnlich wie die ISO-Normen, die es im Bereich der Benutzerfreundlichkei in der Mensch-Maschine/Medien/Technik -Interaktion gibt.

Die Vision hinter dieser Idee ist, dass Designer und Designerinnen die Raumnutzer darin unterstützen, ihre Ziele und Aufgaben zu erreichen (Usability) – und dabei auch Spaß und positive Erlebnisse (oder zumindest angenehme!) zu haben.


Nun plädiere ich in meiner Forschung oft dafür, dass Architektinnen und Architekten Gebäude besser zum „Nutzer“ hin einrichten können, wenn sie sich in die Perspektive hineinversetzen. Das habe ich im Bauhaus PostDoc Stipendium z.B. bearbeitet, indem ich Architekturstudierende mittels VR in die Nutzerperspektive hineinversetzte. Dann sieht man den Raum, indem man darin steht, statt sich den Raum mental vorzustellen.

Ich sage nicht, dass Architekten und Architektinnen das nutzerzentrierte Entwerfen nicht können, nicht tun, oder gar ignorieren: Die gesamte Architekturausbildung ist schließlich darauf ausgerichtet, „nutzerfreundlich“ zu entwerfen. Der Mensch steht im Bau zentral. So oder so ähnlich sagte das schon Gropius, einer der Vordenker der Bauhaus Universität gesagt.

Ich meinte, dass in der Komplexität des Planungsprozesses die Nutzerin oder der Nutzer auch mal in den Hintergrund geraten kann. (Wenn das nicht so wäre, würden wir uns nicht manchmal in Gebäuden verlaufen, oder negative Emotionen über Gebäude erleben).


Nun möchte ich Vorurteile ansprechen, die uns vielleicht noch im Weg stehen, z.B.:

shallow focus photography of three people holding square panels
Photo by rawpixel.com on Pexels.com
  • „Wollen wir das Nutzerfeedback überhaupt? Schließlich meint / denkt / möchte ja jede/r etwas anderes! Wie soll man da noch gescheit planen können?“
  • „So viele Meinungen – welche davon soll ich im Entwurf nutzen?“
  • „Außerdem wissen die Bürgerinnen und Bürger ja gar nicht, was sie wollen. Das sind doch Laien. Wenn ich die gestalten lasse, kommt da nix bei rum.“


Wie kann man „den Nutzer“ mehr in die Planung einbinden?

Nutzer haben wertvolles Feedback für den Planungsprozess (hiermit meine ich wieder: Planung einer Webseite, eines Produkts, eines Gebäudes…).

Aber… vielleicht hast Du nicht die „richtigen“ Fragen gestellt?

Nun ist meine letzte Aussage provokativ gemeint. Es gibt selten richtige und falsche Fragen. Jede Frage hat ihre Berechtigung. Aber wie sollen wir das Feedback der Nutzer sinnvoll sortieren – also so, dass wir die Planung danach „nutzerzentriert“ ausrichten können?


Die Kunst der Partizipation besteht darin, die richtigen Fragen zu stellen.

Selbst wenn Du also zwei Produkte, A und B, hast und fragst, wie rund oder eckig das eine oder andere ist, ob es sich „pitzelig“ anfühlt… (danke für das großartige Wort, lieber Philip K Dick (in der Serie Electric Dreams, Episode „Autofac„).

Nutzer werden immer eine Antwort finden, indem wir „irgend etwas“ antworten, um uns zu helfen, an unser „Nutzerfeedback“ zu gelangen. Außerdem möchten sie uns nicht mitteilen, dass sie gerade keine Antwort wissen. Also sagen sie im besten Fall: „Ja klar! Dieses Produkt ist wirklich sehr pitzelig„. Auch dann, wenn sie nicht wissen, was pitzelig bedeutet. Sie werden sich etwas dazu vorstellen und auch etwas antworten.
(Im Psychologiestudium lernt man deswegen jahrelang die Kunst, Fragebögen zu erstellen. Trotzdem stellen wir ab und an „die falschen Fragen“.)


Wenn wir mit Fragen forschen wollen, müssen wir Fragen stellen, die man beantworten kann. Im Falle Deines Produkts hättest du z.B. auch Fragen können „Magst du A, oder B lieber?“ (Vielleicht hat dich aber wirklich der Grad der Pitzeligkeit interessiert – na gut!).


Wenn Du die Teilnahme von Bürgerinnen und Bürgern einbinden willst, ist es also wichtig, über Deine Fragen nachzudenken. Aber welche Fragen sind in der Umweltevaluation interessant? (Ich möchte betonen, dass das Wort „richtig“ für mich so gemeint ist, dass wir herausfinden, was Du über dein Design wissen möchtest und die Nutzer es verstehen – nicht im Sinne von richtig/falsch).

  1. Interessant für Architektinnen und Architekten ist zum Beispiel, wie sich Menschen in einer bestimmten Umgebung verhalten: Können Nutzer den Weg finden?
  2. Welche Atmosphäre soll ein Raum ausdrücken: Erleben die meisten Nutzer einen geplanten Raum als angenehm oder als stressig?
  3. Welche Funktionen des Raums werden von verschiedenen Nutzergruppen genutzt?
  4. Wo stauen sich Menschenmassen: wo kommt es zu Crowding-Erlebnissen?
  5. Wo treffen sich Leute gerne, und verweilen, oder reden mit anderen Menschen?
  6. Ist das ein Raum, in dem wir eventuell mehr Aufmerksamkeit auf Stressprävention richten müssen, als in anderen? Was ist das Thema jedes Raums?
  7. Mögen die Leute den geplanten Raum, oder haben Sie Verbesserungsvorschläge?
    usw.

Natürlich sind die Planer und die Stakeholder im Entwurfsprozess am Ende diejenigen, die die Entscheidungen treffen. Meiner Meinung nach bringt es jedoch viel, Anregungen von Anwohnern zu erhalten, um den Entwurf zu verbessern. Jedoch würde ich dann nicht fragen, welche Farbe oder Form eine einzige Wand haben soll. Das ist zu detailliert. Vielmehr würde ich fragen, was die Leute in dem Raum tun möchten. Von wo nach wo sie sich bewegen, um welche Aufgaben zu schaffen, usw.

Indem sie Nutzer mitbestimmen, bekommen sie das Gefühl, dass die Umwelt um sie herum wirklich ihre eigene ist (Aneignung). Deswegen sind Diskussionen zwischen Nutzern und Planerinnen, auch wenn sie vermeintlich um Details gehen, sinnvoll.


Bevor Du also genervt bist, dass „der Nutzer“ nun diese eine Wand unbedingt blau haben will, frag Dich lieber: warum ist das so? Denn es kann wichtig sein, warum die Nutzer einen solchen Wert auf dieses eine Detail legen.

  • Fühlen die (potentiellen) Raumnutzer sich allgemein von deinem Entwurf überrumpelt, und versuchen, die Kontrolle wieder zu erlangen?
  • Erinnert sie etwas in Deinem Entwurf positiv oder negativ an etwas aus ihrem Leben, oder an eine Epoche in der Gesellschaft?
  • Fühlen sich andere Nutzer auch so wie der, mit dem oder der du gerade über die Wandfarbe diskutierst?
  • Geht es um ein bestimmtes Konzept, z.B. Stressreduktion, Spielen, Gedenken…?

white diagram paper under pliersFazit

Indem Du lernst, auf die verschiedenen Interessen der Nutzer „hören“, ist es möglich, einen Entwurf zu finden, der durch Viele geschätzt wird.

Vielleicht gibt es hier später mehr dazu, wie man Gebäude aus Nutzersicht evaluieren kann.

 

  • Hast du auch schon einmal in einem „partizipativen Projekt“ gearbeitet?
  • Welche Gedanken gehen Dir zum Thema durch den Kopf?

    Teile gerne Deine Erfahrungen mit uns 🙂 im Kommentarfeld!

 


English Version (using „DeepL.com“)

„User-centered planning, what does that actually mean?“

A colleague of mine, an architect herself, asked me that the other day. In my Research, I use the word „user-friendly“ all the time. But I rarely define it. Because somehow it has become a self-evident concept for me:

For me, user-centered planning means designing and planning like this, that the people who use the product, the website, or the building (*see for buildings also the concept I developed in my dissertation (Kuliga, 2016)) „use“ the interaction as efficient, effective and satisfying. This is, by the way, close to the ISO standards that exist in the area of user-friendliness in the area of human-machine/media interaction.

I want room users to be supported by the designer in achieving their goals and tasks (usability) – and have fun and positive experiences (or at least pleasant ones!).

In my research, I often argue that architects should be able to make buildings more „user friendly“ if they put themselves in perspective. I worked on this in the Bauhaus PostDoc Scholarship, for example, by putting architecture students into the user’s perspective by means of VR.

At this point I would like to make sure once again that I will not say at any point that architects cannot, do not, or even ignore user-centered design.

Finally, the entire architectural education is designed to be „user friendly“. People are central to construction. Gropius, one of the pioneers of the university I worked at in 2015-2018, said that or something similar.

I meant that in the complexity of the planning process, the user can sometimes take a back seat. (If this were not the case, we would not sometimes get lost in buildings, or experience negative emotions about buildings). There are many reasons for this and perhaps I will come back to this later. Now I would like to address prejudices that may still stand in our way, e.g.:

  • „Do we want the user feedback at all? After all, everyone thinks / thinks / wants something different! How can you plan cleverly?“
  • „Besides, citizens don’t even know what they want. They’re laymen. „If I get this designed, I can’t get around to it.“
  • „So many opinions – which ones should I use in the design?“

How can „the user“ be more integrated into the planning?

Users do have valuable feedback for the planning process (I mean again: planning a website, a product, a building…).

But maybe you didn’t ask the „right“ questions?

Now my last statement is meant provocatively. There are rarely right and wrong questions in psychology. Every question I learned at school has its justification. But how are we supposed to sort the feedback of the users in a meaningful way – so that we can align the planning.

The art of participation is to ask the right questions.

So even if you have two products, A and B, and ask how round or square one or the other is, whether it feels „pointy“… (thanks for the great word, dear Philip K Dick (in the series Electric Dreams, episode „Autofac“). Users will always find an answer by answering „something“ to help us access our „user feedback“. Besides, they don’t want to tell us that they don’t know an answer right now. So at best they say: „Sure! This product is really very „pointy“. Even when they don’t know what pointy means. You will introduce yourself and answer something. (In psychology studies you therefore learn the art of creating questionnaires for years. Nevertheless, from time to time we ask „the wrong questions“).

If we want to research with questions, we have to ask questions that can be answered. In the case of your product, for example, you could have asked „Do you like A or B better? (But maybe you were really interested in the degree of pointedness – all right!).

So if you want to involve the participation of citizens, it is important to think about your questions. Logical!

But which questions are interesting in environmental evaluation? (I want to emphasize that the word „right“ is meant for me to find out what you want to know about your design and the users understand it – not in the sense of right/wrong).
Of interest to architects, for example, is how people behave in a particular environment:

  • Can users find the way?
  • Which atmosphere should a room express: do most users experience a planned room as pleasant or stressful?
  • Which room functions are used by different user groups?
  • Where do crowds of people accumulate: where do crowding experiences occur?
  • Where do people like to meet and stay, or talk to other people?
  • Is this a room where we may need to pay more attention to stress prevention than others? What is the theme of each room?
  • Do people like the planned room, or do you have suggestions for improvement?

Of course, the planners and stakeholders in the design process are ultimately the ones who make the decisions. In my opinion, however, it is very useful to receive suggestions from local residents in order to improve the draft. However, I would not ask what color or shape a single wall should have. That’s too detailed. I’d rather ask what people in that room want to do. From where to where they move to create which tasks, etc.

By co-determining users, they get the feeling that the environment around them is really their own (appropriation). Therefore, discussions between users and planners, even if they are supposed to be about details, make sense.

So before you get annoyed that „the user“ wants this one wall absolutely blue, ask yourself: why is that so? Because it can be important why users attach such importance to this one detail.

  • Do (potential) space users generally feel overwhelmed by your design and try to regain control?
  • Does something in your design remind her positively or negatively of something in her life, or of an epoch in Society?
  • Do other users feel like the one with whom you are discussing the wall paint?
  • Is there a certain concept, e.g. stress reduction, playing, commemoration…?

Conclusion:
By learning to „listen“ to the different interests of users, it is possible to find a design that is appreciated by many.

Perhaps there will be more on how to evaluate buildings from the user’s point of view later on.

Have you ever worked in a „participative project“?
Share your experiences with us, in the comment field, if you like!

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