(English version below)
Ganz sicherlich hast Du mal den Weg verloren und Dich verirrt; in einer neuen Stadt, einem neuen Gebäude, oder einem Maislabyrinth (wobei das oftmals eher „Irrgärten“ sind, also mehrere Wege, statt nur einem einzigen, die ins Innere führen).
Schon Ariadne hat ihrem Geliebten einen Faden gegeben, mit dessen Hilfe Theseus (té-se-us) aus einem Labyrinth herausgelangen konnte (Notiz: Ariadne gab ihm auch ein Schwert, um den Minotaurus zu erledigen – aber ohne den Faden wäre Theseus vermutlich verendet). Sprich, wenn man mittels Faden die zurückgelegte Strecke markiert, kommt man immer zurück. Hingegen haben sich Brotkrummen im Wald eher nicht bewährt…
Heute geht es um die Wegfindung (und damit meine ich die physische, nicht die metaphorische, durch das Leben).
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Das Gefühl, den Weg verloren zu haben, bedeutet, keine Orientierung mehr zu finden. Die Umwelt sieht auf einmal fremd aus.
Wir alle haben eine persönliche Geschichte über eine Umgebung, in der wir uns mal so richtig „ver-laufen“ haben.
Sicherlich war das nur dann angenehm, wenn wir gerade entspannt und ohne Zeitdruck waren. In allen anderen Situationen, also dann, wenn wir z.B. unter Zeitdruck von A nach B mussten, führte das „den Weg verlieren“ meistens zu Unbehagen, Stress und sogar Angst (Arthur & Passini, 2002). Ich habe in meiner Dissertation die Wegfindung durch mehrstöckige Gebäude als Thema bearbeitet. Dabei merkte ich: das mit der Wegfindung ist komplex. Also:
Warum ist das so? Warum verirren wir uns gelegentlich in großen Gebäuden?
Die Forschung sagt: Bibliotheken, Museen, Einkaufszentren und Krankenhäuser sind manchmal wirklich „schwer zu navigieren“. Besonders dann, wenn wir die Umwelt noch nicht kennen. Dann müssen wir erst einmal wissen, wo wir selbst sind, wohin wir wollen, und welche Routen möglich sind (vgl. Golledge, 1999).
Das Wegfindungsverhalten ist eine kognitive Leistung (was ist „Kognition? → siehe erster Blog). Denn die Wegfindung beinhaltet eine Informationsverarbeitung über die Eigenschaften des Raumes – und über uns, wie wir in diesem Raum positioniert sind.
Die Wegfindung benötigt Entscheidungsprozesse. Dieses „Problemlösen“ im Raum ist kognitiv (z.B. wo will ich hin? was weiß ich über das Ziel? wie komm ich dahin?). Besonders in großen, mehrstöckigen und deswegen komplexen Gebäuden (vgl. Hölscher et al., 2006) ist die Orientierung schwierig (vgl. Kuliga, Nelligan, Marchette, Shelton, Carlson, Hölscher; Seattle Bücherei Wegfindungs-Studie; dokumentiert in meiner Dissertation). Denn in einer nicht fiktiven Welt können wir die verschiedenen Grundrisse der Etagen nicht, wie in einem Glashaus, in ihrem Zusammenhang sehen. Besonders dann, wenn Grundrisse sich über verschiedene Etagen verändern, ist es für uns oft eine Herausforderung, unser gelerntes, räumliches Wissen kohärent zu einem Bild des Gebäudes zu integrieren.
Unsere Wegfindung ist nicht nur von unseren individuellen räumlichen Fähigkeiten (z.B. dem „Orientierungssinn“) abhängig;
sondern auch von den gewählten Wegfindungsstrategien, bestimmten Gebäudemerkmalen, der Schwierigkeit der Wegfindungs-Aufgabe an sich, unserer Motivation, und unseren Erwartungen über den Raum.
Wenn wir einen Ort zum ersten Mal besuchen, bauen wir, basierend auf den Informationen um uns herum und unseren Orientierungsfähigkeiten eine „kognitive Karte“ (Lynch, 1960). Diese „Karte“ ist eine Repräsentation der Umwelt. Es ist aber nicht wirklich eine „Karte“, da wir Abstände im Kopf leicht fehlerhaft repräsentieren, z.B. verzerren können. Wir haben deswegen nie ein perfektes Bild der Umwelt im Kopf. Aber die Hauptmerkmale der Umwelt, die sichtbar sind, haben wir mental gespeichert.
Dieses Wissen nutzen wir für unsere Wegfindungs-Entscheidungen. Und nach und nach füllen Erlebnisse mit der Umwelt, z.B. Sequenzen von Routen, die wir gelaufen sind, und Übersichtswissen darüber, wie die einzelnen Orte zusammenhängen, unser räumliches Wissen über die Umwelt an (vgl. auch Haq & Zimring, 2003).
Durch sequentielle Beschilderung und eine unterstützende Inneneinrichtung können Raumplanende die Wegfindung erleichtern.
Ideal ist, wenn der Raum so „einfach“ aufgebaut ist, dass wir ihn intuitiv verstehen, ohne dass Schilder benötigt werden.
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Diese „Lesbarkeit“ des Raums (spatial legibility) können Architektinnen und Architekten schon beim Entwurf des Gebäudes einplanen – doch das geht manchmal schief. Dazu demnächst vielleicht mehr (kann etwas dauern).
Ich freue mich, wenn du den Weg zu diesem Blog zurückfindest und wir uns hier wiedersehen?
- Gerne kannst du kommentieren, in welchem öffentlichen Gebäude du dich mal so richtig verlaufen hast, und woran das deiner Meinung nach gelegen hat!
(English version, using using „DeepL.com“)
Surely you have once been lost in a city, building, or a labyrinth (or a maze, which has several paths to the inside). In an old Story, a girl named Ariadne gave her lover Theseus a string to find his way out of a Labyrinth where he had been imprisoned to die (she also gave him a sword to kill the Minotaur, but without the string he probably never had found the way back). Similarly, if you use a string to mark the way you have walked, you can always find back. This is sometimes used during cave exploration. However, bread crumbs in the forest havent been equally succesful, or so they say… Today, we explore the topic of „wayfinding“ (the physical, not the metaphorical one).
The feeling of „being lost“ is unpleasant when we no longer ‚have‘ an orientation, when everything around us suddenly looks strange to us. We all have a personal story about an environment in which we really „got lost“. Surely this was only pleasant when we were just relaxed and without time pressure. In all other situations, i.e., when we have to go from A to B under time pressure, for example, „losing the way“ usually leads to discomfort, stress and even anxiety (Arthur & Passini, 2002).
Why is that so? Why do we occasionally get lost in large buildings?
Research says: Libraries, museums, shopping centres and hospitals are sometimes notoriously „difficult to navigate“. Especially when we don’t know the environment yet. Then, we first need to know where we are ourselves (self-localization), where we want to go to, and what routes are possible towards that destination (cf. Golledge, 1999).
Finding one’s way can also be described as a cognitive achievement (on „cognition“, see last blog), because wayfinding involves information-processing (i.e., about the characteristics of space – and about us, how we are positioned in that space?).
Wayfinding requires decision-making processes (i.e., where do we need to go to?). This three-dimensional „problem-solving“ in human-environment interaction, thus, is cognitive (e.g., what do I know about the goal? how do I get there?). Especially in large, multi-level, and, therefore, complex buildings (e.g., Hölscher et al., 2006), orientation is difficult (see Kuliga, Nelligan, Marchette, Shelton, Carlson, Hölscher; Seattle Public Library wayfinding study; documented in my dissertation). In a non-fictional world, we usuaally cannot see the different floor plans of the floors all at once, such as in a glass house. Especially when floor plans are differently layouted across floors, it is often a challenge for us to coherently integrate our learned spatial knowledge.
Our wayfinding does not only depend on our individual spatial abilities (e.g. our „sense of orientation“), but also on our chosen wayfinding strategies, the building’s characteristics, the exact tasks, our motivation and expectations.
When we visit a place for the first time, we form a „cognitive map“ based on the information around us and our orientation skills (Lynch, 1960). This is a representation of the environment. It’s not really a „map“, because we can slightly misrepresent distances in the head, e.g. distort spatial information.
We don’t have a perfect picture of the environment in mind. But the main characteristics of the environment that are visible are stored in that cognitive map. And gradually, as we experience the environment, e.g. via sequences of routes we have walked, we fill our spatial knowledge about the environment (cf. also Haq & Zimring, 2003). Sequential signage and a supporting interior design can thus make it easier to find your way.
It is ideal if the room is so „simple“ that we understand the space intuitively, without the need for signs.
This „readability“ (spatial legibility) can be taken into account by architects as early as the building design stage – but that sometimes goes wrong. More about this soon.
I’ll be happy when you find your way back to this blog and see you here again – even if the Translation is creepy – uhm, crappy. Good translations cost time,
and -thus!- as long as I dont know whether English-speaking people read this, it remains a crappy translation for the sake of my limited personal life time;)

Tell us your story about a building in which you heavily got lost, and why you think this happened 🙂 Yes, you can post your ideas in English 😀
Ein sehr interessanter Beitrag! In diesem Zusammenhang fällt mir noch ein Aspekt ein: dass, wenn wir durch eine Türe gehen oder herauskommen, oftmals Dinge vergessen bzw. vergessen, was wir gerade (tun) wollten – die Türe ist sozusagen für unseren Geist eine „Ereignisgrenze“ …
dazu mehr hier: https://www.neuronation.de/science/was-wollte-ich-gerade-tun-tuerschwellen-lassen-uns-vergessen
Liebe Grüße!
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Danke für das Feedback! Darüber freue ich mich sehr – Schön dass Du das teilst! (das „Du“ ist als Arbeitsform gemeint, nicht als Unhöflichkeit).
Zwei Dinge fallen mir bei der sehr interessanten Studie auf:
1) Die Studie wurde 2011 publiziert, dh. wohl 2010 ausgeführt. Einer der dort genannten drei Studien war in einer virtuellen Umgebung. Wenn wir davon ausgehen, dass zur Zeit der Studie die VR-Technik noch etwas … abstrakter war als nun, kann es dann nicht sein, dass der gemessene Effekt auch damit zusammenhängt, dass die Umwelt sehr abstrakt war?
Dennoch, in einer weiteren Studie finden Radvansky, Krawietz & Tamplin denselben Effekt: Menschen vergessen nach dem auf Neuronation so schön als „Gehen durch Türöffnungen“ Benannten, kurz zuvor gelerntes, auch wenn sie später in den Ursprungsraum zurückkehren. Die Forschenden meinen, dass das Gehirn merkt „jetzt geschieht was Neues“ und sich lieber auf das Neue konzentriert, als auf zuvor gelerntes, das dann schwieriger abrufbar wird.
In der Praxis kenne ich es selbst so, dass ich mich meistens wieder erinnere, wenn ich ein paar Schritte in „die alte Umgebung“ zurück gehe. Interessant wäre, das im Hinsicht auf Navigation / Wegfindung in Gebäuden zu untersuchen, finde ich!
Ich lese das nochmal im Detail durch und nenne es vielleicht in einem Forschungspaper das ich gerade über Indoor Wayfinding schreibe 🙂 Toller Tipp!
2) Hier ist für Wissbegierdige übrigens der volle Link zum open-access Forschungsartikel, der auf „Neuronation“ genannt wird: https://pdfs.semanticscholar.org/4cc6/2de65229c93e4cb3c658246459fb9b95d053.pdf
–> Liebe Leserinnen und Leser „jetzt ist die beste zeit“ (sic!), um mitzudiskutieren!
* Welches Gebäude fandet ihr schwierig und warum?
(edited)
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